Traumabewusste Lebensgestaltung (therapeutisch-pädagogische Leitgedanken)

Körper sein

Unser Körper als Ort des Fühlens und Erlebens ist unser Zuhause, solange wir leben. Er vermittelt für uns zwischen unseren inneren Anteilen und der Welt. In ihn bewegen wir uns hinein und in ihm finden wir den Weltmittelpunkt. Eine therapeutische Handlung ohne den Körper verliert den Klienten.

Trauma und Störungen

Jeder von uns lebt mit einem kompensierten Trauma und ist vom Fühlen seiner kindlichen Wunden im Körper getrennt. Daraus entsteht eine verfestigte Gefühlskontrolle, aus der wiederum die  sogenannten psychische Störungen entstehen als emotional-habituelle Gefühlswucherungen.

Selbstferne und Fremdwert

In der Kompensation verlieren wir die Verbindung zu unserem Körper und suchen Zuflucht zu Ereignissen, Menschen, Konzepten außerhalb von uns. Unbewusste Beziehungsgestaltung, co-abhängige Spiegel-Beziehungen (dazu Martin Uhlemann) , Liebessucht. Konformität, Depression, Manie, Obsession. Dramadreieck. Projektion. Reinszenierung, Wiederholungszwang, Regression. Leiden und Mangel. Spirituelles Bypassing. Unkenntnis der hermetischen Gesetze. Denken im Griff innerer Wächter. Körperliche Anspannung. Spirituelle Wahnhaftigkeit. Disney-Spiritualität.

Verfleischlichung

Dekompensation, Zusammenbruch, Aufgabe der Flucht, der Ablenkung. Erkenntnis: Keine Flucht wird jemals helfen. Erkenntnis: der Schmerz steckt in uns fest wie ein Kind vor der Geburt, Geburt unausweichlich. Aufgabe und Loslassen süchtiger Beziehung und der Energiesuche im Außen. Inneres Verrückwerden, Denkzwang, Panik im Hinunterfallen, Sehnsucht nach den Scheinlösungen. Stimme der Flucht annehmen, aber Identifikation lösen. Dunkle Nacht der Seele. Ende der Scheinlösungen. Der Schmerz der Verlassenheit drängt sich an den Wächtern vorbei, diese spielen verrückt. Wir erlauben ihnen alles und wir erlauben Schutzschicht um Schutzschicht. Dann fallen wir nach innen (dabei kann helfen: Wahrnehmung von Naturkräften als unerschöpflichen Kraftquellen im Außen, die unabhängig von unserer Verbundenheitssucht immer aufgesucht werden können). Die tiefste Wunde: die Verlassenheitswunde.  12-Schritte-Programm und Radikale Erlaubnis nach Mike Hellwig. Abgabe des Schmerzes an den Körper, Aufsuchen im Körper, dem Schmerz den eigenen Körper überlassen. Das Gefühl mit seinen Bildern vom Körper Besitz ergreifen lassen. Unser Körper wird an das Kreuz des Schmerzes gehängt. Wir erleben den Schmerz als Körper und lassen ihn dort aufsteigen. Erschließung des Schmerzes als Empfindung. Damit Erdung des Schmerzes, Verkörperung, Anwesenheit. Innere Zuwendung, innerliches Sterben, Geburtskanal des inneren Schachtes, hineinfallen in den Schmerzes, ganz zu ihm werden, Hingabe, Aufgabe. Fühlen im Bauchraum. Der Schmerz entfaltet sich und nimmt körperliche Form an. Damit wird der Dämon sichtbar und mit unserem Körper gefüttert. Kontakt mit ihm, dem Schrecklichsten. Stille, völlige Selbstübergabe an den vernichtenden Schmerz. Befreiung, Frieden. Psychotherapie gibt dem kompensierenden Menschen Werkzeug, mit seinen Verwundungen als bewusster Beobachter körperlich fühlend in Wiederverbindung zu kommen. Dabei Kontakt zu allen inneren Anteilen, auch den Wächtern.  Echte Achtsamkeit. Der Therapeut assistiert dem Klienten dabei, dieses Werkzeug des radikal erlauben Annehmens und Fühlens anzuwenden und stellt sich als Prozessbeteiligter in den Dienst einer Traumaheilung aller Beteiligten, auch seiner selbst. Radikale Ehrlichkeit im Dienst des Fühlens. Dabei wird und muss das Werkzeug von jedem selbst angewandt werden. Innere Reintegration kann niemals von einem Retter durchgeführt werden. Innere Reintegration als Ende des Dramadreiecks. Öffnung der alten Wunden und Freisetzung der gestauten Lebenskräfte. Freisetzung von Aggression und Sexualität. Suizidalität als Tor zu tiefer Lebendigkeit. Humor des Therapeuten. Denken beruhigt sich.

Körperorientierte Lebensgestaltung

Um Radikale Erlaubnis, Traumaheilung und intuitives Handeln (felt sense) herum verfolgt der Klient Leitgedanken einer bewussten körperorientierten Lebensgestaltung. Dazu zählt besonders die körperliche Selbstfürsorge. Wichtigste Frage: Was brauche ich als leibliches Wesen? Hinzu treten Lebensziele, die aus den im Fühlprozess aus der Wunde austretenden Gaben abgeleitet werden: Frühbilder (s. Neumann/Seiler) im Körper wirken lassen, empfinden. Selbsttherapie wird zu künstlerisch-schöpferischem Ausdruck. Kunstgestaltung aus dem inneren Kind. Schöpfertum als Lebenssinn, Daseinssinn, innere Bestimmung. Auch aus den Gaben Ableitung persönlicher Werte, aus denen sich wiederum Grenzen gegenüber anderen ergeben. Aufbau eines echten Selbstwertes, der sich im Ursprung aus der inneren Selbstzuwendung ergibt. Beendigung energetischen Missbrauchs (eigenen und fremden).
Leben als Fühlen. Bekenntnis zur eigenen Wunde und Verwundbarkeit. Suchen des Schmerzes. Verwundbar leben. Die Wunde als das Kostbarste und der Quell von größter Lebendigkeit.

Körpergeborene (natürliche) Spiritualität

Vollständige Selbstverantwortung für alle auftretenden Gefühle. Freiheit der Antwort. Mitschöpfertum. Körper und Fühlen vor Spiritualität. Ablehnung jeder kompensatorischen Spiritualität. Bewusstheit innerer Vielstimmigkeit. Psychologisch aufgeklärte Spiritualität. Spiritualität als dem Körper und dem Fühlen angeschlossenes Erleben. Körper und Fühlen als Gefäß für spirituelles Erleben. Bewusste Nutzung von Denken, nun in der Hand des erwachsenen Lebenssteuermanns. Imagination selbstnaher Lebensziele. Selbstnahe und zielorientierte Alltagsgestaltung.
Emotionale Unabhängigkeit. Ganzheit. Sein durch Fühlen. Spiritualität als temporäre Identität mit dem Universum. Strömen im Sein und unmerkliche göttliche Führung. Wie innen, so außen. Einlösung der kindlichen Sehnsucht nach dem Staunen, nach Liebe und Verbundenheit durch sich selbst.

Quellen

Mike Hellwig (2014 ff.), Radikale Erlaubnis Projekt, Bände 1-3. Fulda.

Pia Mellody (2003): Facing Codependence. New York.

Pia Mellody (2003): Facing Love Addiction. New York.

Alexander Neumann, Sebastian Seiler, Aufblicken, 9 Stufen der bewussten Lebensgestaltung (unveröffentlicht).

Martin Uhlemann, www.martinuhlemann.de, Website und Youtube-Kanal; Videos und Texte zu emotionaler Unabhängigkeit und neuen Liebesbeziehungen.

Urfassung: Reschen und Melag, August 2023

1 Kommentar zu „Traumabewusste Lebensgestaltung (therapeutisch-pädagogische Leitgedanken)“

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