Ausstoßung, Liebessucht und Liebesresonanz – Wie du aus deiner Liebe fällst und dich vergisst, und wie du wieder zurückfindest in deine Liebe durch den schwarzen Drachen

Ein Weg für manche von uns, für diejenigen, die ihre Wunde nicht mehr versperren können.

Vorgeburtliche Welterfahrung

Da ist ein Horizont von Geräuschen, der dich umschließt und du berührst die Grenze deines Himmels, die innere Haut deiner Mutter. Du bist geborgen, aber du wächst dem Ausbruch entgegen.

Geburt

Du wirst ausgestoßen, aber du willst zugleich atmen. Abschied und Aufbruch.

Getragen, gesetzt, erzogen

Du wächst, aber du weißt noch nicht um dich. Deine Götter tragen und setzen dich, singen für dich und erzählen von oben über Unerreichbares, über das Ultimo am Ende des noch lange rätselhaften Tages. Du bist nun ein waches Leben und du schreibst und liebst dich ins Leben hinein mit deinen Händen und deinem Lachen. Du Gekommener voller reiner Freude und Liebe, voller nicht abreißender Gefühle! Doch du wirst erzogen, angehalten, festgehalten, beschattet mit den Sorgen deiner Götter. Dein Licht gerät in Sturm.

Die Urverwundung

Was könntest du anderes sein als Liebe? Als ein Gesang von bedingungsloser Weltberührung? Im Augenblick deiner tiefsten Hingabe, deiner tiefsten Lust, deiner größten Angst, deiner offensten Umarmung, geschieht das Schlimmste. Du wirst abgelehnt, still gelegt, weggeschoben, beschämt, getadelt, verbogen, bestraft. Die Schnitte der Lebensbeschränkungen fahren in dich hinein und erschüttern dich in deiner gedankenlosen Hingabe an das Leben. Was warst du für ein Jubel! Wie schön warst du in deiner Hingabe von allem, was in dir lebte? Und als du das Schrecklichste fühlst, die Ablehnung, stellt sich deine erste und tiefste Einsamkeit ein. Denn es kommt niemand, der dich hält und wärmt und tröstet. Die Verwundung ist tödlich, doch es gelingt dir, von dir wegzuspringen. Du gebierst in dir einen neuen Menschen, der den gestorbenen Teil der reinen Lebendigkeit verbannt und sich im Lebensbezug an seine Stelle setzt. Er verbannt dich, doch er beschützt dich auch. Zwielichtig ist er! Du bist nun dissoziiert, weil du deinen Tod schöpferisch kompensiert hast. Der Preis ist hoch: Du bist nun nicht mehr strömend verbunden, sondern dich schützend eingebunden in das Drama der Welt. Du glaubst nun in deinem Wächtersein, getrennt zu sein von den Quellen des Lebens, die du draußen ersehnst, weil ja auch die Urverwundung von außen her geschah. Du verlierst dich und gewinnst zugleich eine Schutzarmee in dir, die fortan dafür sorgen wird, dass du nicht mehr verwundet werden kannst, dass aber deine Sehnsucht nach Leben als äußere Erfüllung erlebt wird. Geschützt bist du nun der Welt ausgeliefert, weil deine Wächter nicht lieben können, nur kämpfen. Das liebende Kind, das du warst und bist, wird nun von einem Ego-Kindergarten umstellt, mit dem es in eine tiefe Verwirrung gerät, was es mit sich und seiner Liebe auf sich hat. Deine Ego-Kinder entwickeln raffinierte Strategien, damit du deine Verwundung nicht mehr fühlen musst. Nie mehr. Doch du bleibst nun verwundet, weil deine Wunde nur umstellt, nicht geheilt wurde.

Co-Abhängigkeit und dein Gang durch das Drama

Deine Wächter wissen: Bindung ist Gefahr. Denn so ganz und gar hingeben warst du verwundbar. Zwei Wege gibt es, damit sich das nie wieder ereignen kann. Du kannst deine Lebensbindungen empathisch-vermeidend gestalten oder narzisstisch-vermeidend. In beiden Fällen treibt dich deine tiefe Bindungsangst in ein Verhalten, das dich vermeintlich sicher leben lässt. Doch du kompensiert weiterhin und hast keinen Zugang zu deinen tieferen und echten Gefühlen, und überhaupt nicht zum tiefsten Orgasmus, in dem das Kind wieder aufleben kann. Du verfestigst deine Neurose, aber du wirst ein gefälliger Schauspieler, der sich nun mit dem Haben statt dem Sein zufrieden gibt. Kampf, Drama, Krieg, Depression, Gleichgültigkeit, Langweile und Sehnsucht bestimmen dein Leben, auch wenn du es dir normal eingerichtet hast.

Toxische Beziehung

Unsere Wächter wollen unsere Urverwundung von außen her heilen lassen in ihrem Glauben, dass sie nur dort geheilt werden kann, wo sie entstanden ist. Damit geraten wir auf die Bahn hinein in tiefe Abhängigkeit, wenn die Wächter unsere tiefsten Geborgenheitsfantasien erahnen, die das Kind in uns erträumt. Es will gerettet werden. Zugleich wittern unsere Wächter eine erneute Verwundung, weshalb im Hintergrund die Bindungsangst jede tiefere Verbindung, verstanden als offene Hingabe in Verletzbarkeit, verhindert. Es kommt somit zu einer hoffnungsvollen Reinszenierung des Urdramas, doch durch die Bindungsangst wählen die Wächter die jeweils gegensätzliche Vermeidungsstrategie. Es kommt zu einem symbiotischen Erlösungswahn, der in einer überhitzten Sprengung endet. Der vermeidende Teil flieht, während der bindungsersehnende in tiefe Leere fällt. Die Sprengung war notwendig, weil jeder Teil seine Urverwundung nur selbstbezüglich heilen kann. Die Reinszenierung wurde unbewusst von der Erahnung sabotiert, dass nur eine Selbstheilung die Verwundung in Glanz und Stärke verwandeln kann. Die beiden Tanzenden müssen einander ihren Mangel spiegeln, mit dem sie in die Beziehung gegangen sind, aber auch ihre Schönheit und Liebe, damit diese inneren Vermögen in ihnen selbst durch sie selbst aufsteigen und Lebensform bekommen können.

Ablehnung und Liebesentzug

Durch die Sprengung des Systems durch den Liebesvermeider fällt der Liebesersehnende endgültig in den Abgrund der Liebessucht. Seine Urwunde reißt auf und er kann ob ihrer Schmerzgewalt nicht mehr kompensieren. Er fällt in die Dunkle Nacht der Seele, in tiefe Depression, weil sein Liebesspender weitergezogen ist. Dieser wiederum betritt nun wieder den gefühlt freien Raum der spaßumhüllten Sicherheit und atmet auf. Da aber auch er koabhängig ist, bereit sich bei ihm unbewusst bereits aus Mangel der nächte Suchtanz vor. Im Gegensatz zum Vermeider ist er weiter von seiner Wunde und damit der Heilung entfernt. Der Liebessüchtige steht nun schmerzvoll im sich entfernenden Ego-Glanz des Vermeiders und bemüht sich um Ebenbürtigkeit.

Obsession oder Fühlen

Sobald der Liebessüchtige sich um Ebenbürtigkeit bemüht, ziehen die Wächter in den Krieg. Der Liebessüchtige vermeidet in der Obsession das Fühlen der aufgerissenen Wunde. Er dreht durch und will in der Ego-Olympiade eine Spitzenposition erreichen, um den Schmerz der Verlassenheit und die Scham des Verlassenwerdens zu übergießen. Wenn es den Erwachsenen gelingt, innezuhalten und zu beobachten, dann kann er auf eine gesunde Weise den fehlenden narzisstischen Teil integrieren. Er lernt, sich vom Vermeider abzuwenden und setzt zum ersten Mal im Leben in tiefster Ablehnungs- und Vernichtungsangst Grenzen. Dazu ergründet er seine Werte, aus denen sich die Grenzen ergeben. Er lernt, erwachsen zu werden und die kindliche Verwundung in sich anzunehmen und zu versorgen. Bewusste Lebensgestaltung ohne Selbstoptimierung wird nun wichtig. Aber zuallererst zu lernen, endlich wieder sich selbst fühlen zu dürfen in allem, was sich zeigt. Das Abenteuer der morallosen Selbstentdeckung beginnt. Dabei ist die größte Herausforderung, den tiefsten Schmerz im Körper zu erleben und ihn zu suchen. Die Identifikation mit den Wächtern wird schwächer und der Erwachsene wird überströmt mit dem Schmerz des Kindes. Fast unerträglich erscheint die Wunde, düster, in die Tiefe saugend, vernichtend. Mike Hellwig spricht vom Nadelöhr. Doch dort unten wartet die Chance der Ganzwerdung. Es braucht das Hinabgehen, das Fallen ins innere Nichts. Den Gang durch die nun auch äußerlich unverkennbare dunkle Nacht der Seele. Suizidsehnsucht ist häufig. Geht der Erwachsene aber durch den inneren Schlund, geschieht eine Neugeburt mit ungewissem Ausgang. Nun kann sich göttliche Begleitung einstellen und der Gang der Dinge ist dem gewöhnlichen Raum-Zeit-Erleben entrückt. Dabei treten aus der Wunde auch die Gaben des inneren Kindes aus, die Urliebe hat ihren Durchbruch wieder gefunden, Gefühle treten frei auf und aus, die Neurose mildert sich ab. Genau dort, wo wir nur den Rachen des schwarzen Drachen sehen. Wie innen, so außen: Liebesresonanz kann sich nach dem Egotod göttlich gefügt nun einstellen.

Quellen

In diesem Artikel unternehme ich in freier Form eine Synthese der nachgenannten therapeutisch-pädagogischen Ansätze teilweise einschließlich ihrer Kernbegriffe mit dem Ziel einer Synthese und Erarbeitung meines eigenen Weges. Jeder dieser Ansätze hat mich geprägt und bildet für sich einen Teil meiner praktischen Wahrheit. Doch erst verwoben und zudem ergänzt um den Ansatz von Alexander Neumann und mir entsteht ein für mich vollständiges Bild von traumabewusster Lebensgestaltung.

Mike Hellwig (2014 ff.), Radikale Erlaubnis Projekt, Bände 1-3. Fulda.

Pia Mellody (2003): Facing Codependence. New York.

Pia Mellody (2003): Facing Love Addiction. New York.

Alexander Neumann, Sebastian Seiler, Aufblicken, 9 Stufen der bewussten Lebensgestaltung (unveröffentlicht).

Martin Uhlemann, www.martinuhlemann.de, Website und Youtube-Kanal; Videos und Texte zu emotionaler Unabhängmigkeit und neuen Liebesbeziehungen.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Cookie Consent mit Real Cookie Banner